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Dienstag, 1. Oktober 2013

Beliebte Fehler beim Mixing

Zusammenfassung einiger wichtiger Mixing-Tipps

1. Der Sound kommt beim Mix

Der Mischprozess ist ein sehr subjektiver Vorgang. Daher beginnen die meisten Engineers damit, sich den gesamten Rohmix mehrmals anzuhören und gleichzeitig Notizen zu machen. Danach erfolgt ein kurzer Break, in dem man die Schlüsselelemente definiert und sich Ziele setzt. Die eigenen "Vision" und die Ziele sind wichtig, aber auch ein Vorgespräch mit dem Kunden, ob und wie er sich den Track vorstellt. Für Aussagen wie "das klingt noch zu muffig" oder "es ist alles so durcheinander" muss man eigene Handlungsstrategien entwickeln. Oft sind die Rohmixe zu überladen, zu untight eingespielt (danke VariAudio ;-) oder die Schlüsselelemente zuviel & zuoft und an den falschen Stellen.

Daher ist der Top-Tip Nummer 1 von vielen Ratgebern: Nie ohne eine feste Vorstellung starten und nicht einfach losmischen - das geht meistens schief und man verpulvert viel Zeit und Energie mit den falschen Spuren/Instrumenten.
Da dies einfacher gesagt als getan ist, kann man sich als erstes mit Referenz-Tracks behelfen, deren Klang der Elemente wie Gitarre / Gesang / Bass als Orientierung dient. Dennoch sollten (neben den Vocals) weitere Keyelemente adressiert werden, wo es sich lohnt etwas mehr Arbeit zu investieren.

2. Quantität statt Qualität

Ein weiterer Fehler ist, bei den EQ-Einstellungen daran zu denken, wie viel Bass man geben kann/darf, statt zu prüfen, wie viel Bass in Bezug auf den Gesamtklang dem Stück gut tut. Und man ist schnell dazu verleitet, die Frequenzen nach einem ausgewogenen Bild in Analysern und Peakmetern einzustellen. Öfter mal den Bildschirm ausschalten beim Hören - und immer wieder Notizen machen! Effekte / EQs an- & ausschalten für A/B-Vergleiche hilft hier ebenfalls enorm.

Eine gute Qualität als Auswahlkriterium gilt auch bei den Spuren: 3 eingespielte Gitarren die untight und zu stark verzerrt sind, sind 3 Spuren zu viel. Besser ist es nur eine gute Spur auswählen, und mit dieser guten Spur den Mix zu bauen.

3. Keine Zeit für Effekte

Reverb und Delay-Effekte sind nicht nur das Salz in der Suppe, sondern das komplette Gewürzregal. Spart euch diesen Teil des Mixes für den Schluss auf, wenn ihr mit allen Spuren und dem Arrangement an sich zufrieden seid. Zu früh eingebundene Reverb und Delay-Effekte können schnell den ganzen Mix ruinieren, und im schlimmsten Fall versucht man den Rest des Mixes zu korrigieren, statt die Effekte abzuschalten. Der Mix muss ohne Reverb/Delay schon gut klingen - mit den Effekten wird es dann grandios. Ausnahmen sind ganz klar Insert-Effekte, die für einzelne Spuren existentiell sind z.B. wenn der Gitarrist schon bei den Demo-Aufnahmen ein Delay verwendet.

Wenn möglich beginnt die Arbeit mit ausgeruhten Ohren und lasst euch genügend Zeit, die Level der Sends für die Effektkanäle richtig einzustellen. Achtet darauf nicht mehr als 3-4 verschiedene Reverbs zu verwenden - das erleichtert die Arbeit und der Mix fällt nicht auseinander oder klingt zu verwaschen. Stell Dir die Musiker in den verschiedenen Räumen vor - passt die Größe (Room Size/Tail Length) und die Wandbeschaffenheit (Diffusion)? Sind die Early Reflections richtig gesetzt? Und steht ein Musiker vielleicht in zu vielen Räumen gleichzeitig?

4. Effekthascherei

Die Kunst am Mix ist es, aus kleinen subtilen Änderungen ein großes Gesamtwerk zu gestalten, das in sich schlüssig klingt. Viele Anfänger übertreiben aber oft mit den Effekten. Entweder sind die Aufnahmen selbst das Problem z.B. durch falsche Mikrofonposition, Mikrofon und Raumwahl, schlechte Vorverstärker oder ruinöse A/D-Wandler - und der Anfänger versucht dies mit 15 Plugins zu korrigieren was die ganze Sache meist zur akustischen Katastrophe anschwillen läßt. Oder es wohnt ein ungebändigter kreativer Geist inne, der die Meinung vertritt das ein übermäßiger Effekteinsatz doch sein eigens kreierter "SignatureSound" ist. Zu seiner Verwunderung teilt aber niemand diese Meinung.

"Wenn Du den Effekt hören kannst, ist es schon zu viel - wenn Du ihn aber abschaltest, muss etwas fehlen."

Die Kunst am Mix ist mit so wenig Einsatz von Effekten das Beste herauszuholen. Durch diese Philosophie bleibt man immer nah am Original. Vorausgesetzt, 1) der Mischer verfolgt seine Vision und nutzt Effekte als kreative Gestaltungselemente - wohl dosiert. Und 2) es wurde bei den Aufnahmen auf ein guter Raum und gute Equipment-Qualität verwendet. Und 3) die Performance des Künstlers ist einwandfrei - oder sogar herausragend gut!

5. Nie die Perspektive wechseln

Damit ist weniger gemeint, von einer anderen Ecke des Raumes auf den Bildschirm zu starren, sondern ein anderes Set an Lautsprechern zum Abhören verwenden.

Ganz klar kann jeder zwei Dinge ohne Aufriss tun:

  • Wie klingt der Mix auf dem Kopfhörer?
  • Wie klingt der Mix, wenn man in den Nachbarraum oder Flur geht (und die Tür offen lässt)?
Zudem gibt es weitere, einfache Alternativen:
  • Wie klingt der Mix im Auto?
  • Wie kling der Mix auf dem Laptop?
  • Wie kling der Mix auf der Anlage meines Kumpels? Und was hält er davon?
Und nicht zu vergessen:
  • Wie klingt der Mix bei ganz wenig Lautstärke?
  • Wie klingt der Mix wenn ich mal eine Nach drüber geschlafen habe - am nächsten Morgen?
Alle diese Perspektivwechsel sollte IMMER(!!!) mit Blatt und Papier erfolgen, besonders wenn ihr noch im frühen Stadium des Mixes steht. Nur so könnt ihr eure Eindrücke als ToDo-Liste festhalten und nacheinander abarbeiten.

6. Bedienung von Konventionen

Die große Kunst ist das Spiel mit den Erwartungen der Hörer und den verinnerlichten Konventionen. Ein Rocksong hat meist ein breites E-Gitarrenbrett und wuchtige, raumtriefende Schlagzeugsounds. Niemand erwartet hier eine schmatzend wabbernde TB 303 oder eine TR808 Bassdrum. Die Schwierigkeit ist, hier den schmalen Grad zu finden, der zwischen den Erwartungen der Hörer, und dem Überraschungseffekt neuer Klang-Mixturen und Effekten liegt.

Die Fehler liegen hier nur selten im Mixing, meist aber eher im Arrangement und in der Auswahl der Instrumentierung. Wenn ein Akustik-Popstück mal wieder nur dahin plätschert, und ihr schon beim 2 Mal hören gelangweilt seid - wird keiner der späteren Hörer vor Freude auf seinem heimeligen Sofa hüpfen, wenn der Refrain das dritte Mal ohne "Toppings" wiederholt wird. Das wird niemanden Begeistern und der Song ist "ganz nett" - mehr aber auch nicht. Auch wenn euch der Autor/Komponist noch so stark beteuert, das es "genauso geplant war". Niemand schreibt ein langweiliges Buch (absichtlich) - denn niemand will ein langweiliges Buch lesen! Und das gilt für Musik ebenfalls. Und damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt.

7. Unterschätzung der Hörerintelligenz!

Wenn ich das kommerzielle Radio im Auto höre, empfinde ich viele der aktuellen Songs (und Sendungen!) als Beleidigung meiner Intelligenz. Ich werde für dumm verkauft, weil der Produzent aus Zeitdruck in seinem Inspirationsloch die Kollegen Copy&Paste die Hauptarbeit machen ließ. Und weil der A&R Manager aus den 2000er Jahren meint, das sich Wiederholung am Besten verkauft (weil es so schön eingängig ist). Alles Bullshit! Auch wenn ich eine Ausnahme darstelle: Ich bin weiterhin davon überzeugt, das gute Musik dem Hörer etwas an Interesse und Intelligenz abverlangen sollte. Hier geht es nicht um vertrakten Freejazz sondern um kleine, einmalige "Aha"-Effekte, gut programmierte (oder sogar komplett eingespielte) Percussions, die den Hörer für seine Aufmerksamkeit belohnen und Abwechslung reinbringen. Das gilt fürs Arrangement genauso wie für das Mixing.

8. Keine Automation verwenden

Nicht nur ein langweiliges Arrangement und langweilige Sounds, auch das Ignorieren von Faderautomationen führt zu trostlosen, undynamischen Mixes. Was durch Kompessoren und Limiter an Dynamik verloren geht, muss über Automation wieder hergestellt werden. Der Punkt ist doch, das jeder für lau sich 100 virtuelle Kompressoren kaufen kann. Alle verwenden Sie, aber nur wenige verstehen wie die "Dinger" wirklich funktionieren. Wenn ein Kompressor 1.500 € kosten würde, wären die meisten Tracks wesentlich dynamischer und würden (oft) viel besser klingen! Anhand einer Überdosis Kompression kann man übrigens die meisten Amateurmischungen heraushören - schon hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Kompessoren dienen zum Ausgleich von Dynamikschwankungen, die nicht dem Song dienlich sind. Um aber die wichtigen Dynamikschwankungen zu erhalten, die dem Song dienlich sind ist die Automation von Lautstärke, Panorama, EQs oder auch (Bus-)Kompressoren sinnvoll. Hier vermisse ich sogar in TOP Produktionen oft die Automation von Pan, EQs oder Kompressoren. Nur weil es in der Vergangenheit nicht ging, heißt das noch lange nicht, das es jetzt in der digitalen Welt nicht gemacht werden darf. Hier ist noch viel Luft nach oben, meine Herren!

9. Nimm einfach irgend einen Kompressor, und probiere immer alle Presets durch!

Mir ist erst durch Studien über die Historie der Kompressoren richtig deutlich geworden, das es nicht "den einen optimalen" Kompressor gibt. Und auch, warum der eine Kompressor richtig knallt, während ein anderer eher dahinwabert und den Klang verschlechtert als verbessert. Daher möchte ich allen, die nicht wissen was der Unterschied zwischen einem Teletronix LA-2A und einem Neve 33609 ist, diesen inhaltlich sehr wertvollen und knackig geschriebenen Artikel ans Herz legen und wärmstens empfehlen: http://www.soundonsound.com/sos/sep09/articles/classiccompressors.htm. Und das Beste daran - es funktioniert wirklich!

10. Entscheidungen vertagen

Die Erstellung von Musik ist ein Prozess. Es müssen auf dem Weg zum fertigen Stück viele verschiedene Entscheidungen gefällt werden. Dadurch zeichnet sich ein Weg und somit eine Richtung ab. Wer schon wie unter 1. eine Vision hat, dem fallen diese Entscheidungen leichter, da er weiß wo er hin will. Wem die Vision fehlt, der drückt sich vor Entscheidungen und vertagt sie - oder überlässt diese der nachgelagerten Produktionsstufe.

Die Folge: Viel zu viele Spuren und Elemente, die den Mix diffus und chaotisch erscheinen lassen. Gut gemeinte Overdubs und Backings, die die schlechte Performance der Sängerin vertuschen sollen. Verwaschener Longtail-Reverb auf den Overheads, der die schlechte Ausrichtung der Raummikrofonierung überdeckt. Krasse EQ-Einstellungen auf der Sängerstimme, da die Kombination Sänger-Mikro-Preamp nicht vorab getestet wurde, usw. Es gibt viele solcher Beispiele, und nicht alle sind immer gleich zu erkennen.

Hier gilt es Ruhe zu bewahren, und den besten Freund des Mischers walten lassen: den MUTE-Knopf. Zuerst sollte außer Drums, Bass und Vocals alles andere raus. Wie wirkt jetzt die Stimme? Passen Drums und Bass zusammen und sind sie tight? Danach kann Spur für Spur dazugeschaltet werden. Viele aktuelle Produktionen haben neben einer Multi-Mikrofonierung auch mehrere Raumaufnahmen. Hier sollte man je Songpart eine ideale Mischung der Spuren finden - den Rest erledigt die Automation.

Manchmal sind die Elemente auch an der falschen Stelle platziert - oder zu kurz/lang. Über eine Neuplatzierung der kleinen "Ear-Catcher" (Varianten durchprobieren!) sowie die Verlängerung (mit Delays oder Dopplungen) oder Kürzungen. Oft bringt auch die Wiederholung eines Soloteils an mehreren Stellen in verschiedenen Varianten (Pitchen!) einen "Earcatcher".

Wie auch immer: vertagte Entscheidungen führen dazu, das die Probleme am Ende unzählbar und groß werden. Das kostet Zeit und Nerven. Hier ist die Frage, wie viel man sich davon zumuten möchte und ob es bei manchen Projekten nicht besser ist, wenn jemand anders den Job macht. Denn die Aufräumarbeiten dauern oft etliche Stunden und das wird kein Kunde einsehen, dies zu bezahlen, nur weil der Mix jetzt "etwas luftiger klingt, pah!"

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