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Samstag, 9. März 2013

Bändchen Mikrofone (Ribbon Mics)

Zugegeben, ich hatte noch vor ein paar Jahren ein Beyerdynamic M130 in der Hand, und wußte nicht genau, was ich mit diesem Lollipop ähnlichen Teil anfangen sollte. Ich hatte das Mikro an mein SPL Channel One angeschlossen und es rauschte ordentlich und begeisterte mich überhaupt nicht bei Vocals - ich fand es eher mies gegenüber meinem damaligen Vocal-Mikrofon Rode NTK. Und es klang bei Akustik-Gitarren nicht besser als die AKG 451Bs. Kurzum verkaufte ich das Mikro über Ebay und staunte nicht schlecht, als ein Herr aus Spanien das Mikro für über 300 Euro kaufte.

In den letzten Jahren sind mir aber immer wieder Berichte und Reporte über Bändchenmikrofone (im englischen Sprachgebrauch kurz als "Ribbon Mics" bezeichnet) in die Hände gefallen. Und einige Hersteller, die bisher nichts mit solchen Mikrofonen zu tun hatten, präsentierten plötzlich neue Bändchen-Mikrofone zu stolzen Preisen.

Neugier & Zufall

Da ich immer noch den spanischen Bändchenjäger im Hinterkopf hatte, dämmerte es mir langsam, das es irgend ein Geheimnis geben musste, warum diese doch recht betagte Schallwandler-Technik auf einmal eine solche Reminiszenz erleben durfte. Neben ständig neu erscheinenden Mikrofonen wurden auch spezielle Preamps für Bändchenmikrofone vorgestellt (AEA, True Systems). Nach meinen ersten Ribbon-Erfahrungen wollte ich mehr über die Geschichte, die Nutzung und den Grund des Hypes erfahren.

Wahrheit & wage Annahmen

Die Geschichte der Bändchenmikrofonen geht laut den meisten Internetquellen auf die Erfinder Gerlach und Schottky zurück. Beide arbeiteten (wahrscheinlich) für die Firma Siemens & Halske, daher wird auch oft Herr von und zu Siemens diese Erfindung angedichtet - was aber nicht stimmt.

Auch Gerlach und Schottky entwarfen nicht die grundlegende Übertragungstechnik, sondern verbesserten nur die Technik zwischen den Jahren 1923-1927. Als eigentlicher Erfinder wird F.E. Simon im Techniklexikon genannt. Den kommerziellen Erfolg sicherte sich der Amerikaner Harry F. Olson, der ab 1931 für Rundfunk und Fernsehanstalten die Bändchen-Technik in den USA verbreitete. Für die Bändchentechnik sprach der relativ gute Frequenzübertragung zwischen 40 Hz und 8 kHz. Olson arbeitete ab 1934 für die Firma RCA - deren Mikrofone sind noch heute für viele Unternehmen die Vorlage, an denen sich besonders das Design orientiert.

Aber was macht die Mikrofone heute so beliebt? Darüber konnte ich leider nicht viele Informationen finden - ich vermute zum einen den "Musik-Trend" der letzten Jahre (2013), der den Hype um das Bändchenmikrofon durchaus unterstützt haben könnte. Ich spreche hier vom Popmusik-Trend "Motown-Sound". Das sind Musik-Stücke, die klangästhetisch an dem damaligen Sound der 50er und 60er Jahre angelehnt sind. Bekannte Künstler sind u.a. die (leider verstorbene) Amy Winehouse , Aimee Ann Duffy und Adele.

Der andere Trend ist die Besinnung auf mehr Dynamik in der Musik nach dem Lautstärke-Krieg, der bis 2005 fast jede musikalische Veröffentlichung verunstaltete. Einige Mixing Engineers und Produzenten begannen, umzudenken und erkannten das Musik auch Luft benötigt um zu atmen und zu funktionieren. Im Zuge dessen wurden auch Bändchenmikrofone verstärkt wieder genutzt, vor allem bei lauten E-Gitarren Direktabnahmen und als Drum-Overheads. Bändchenmikrofone haben den Vorteil, das der Klang gegenüber Kondensator-Mikrofonen als weniger "harsch" und "beißend" oder "kreischen" empfunden wird, aber gegenüber den dynamischen Klassiker SM57, MD 441 oder RE20 (für Direktabnahme von E-Gitarren) eine etwas weichere und feinere Zeichnung der mittigen Frequenzen haben. Manche Bändchen-Mikrofone (vor allem Beyerdynamic M-Serie) sind dafür bekannt, eigene Verzerrungen hinzuzufügen und die Mitten zu komprimieren. In der digitalen Zeit sind somit Mikrofone mit Charakter wieder gefragt.

Die wichtigsten Hersteller

Der wichtigste Hersteller ist RCA - Die "Mutter" aller Bändchenmikrofone steht weiterhin unfreiwillig Pate für viele China-Plagiate, die das frühere Aussehen mit dem damaligen Sound verbinden (kleiner Scherz am Rande). Neben RCA wird auch immer wieder die Firma "Royer Labs" genannt - Diesen Hersteller kann man guten Gewissens als den "Neumann" unter den Bändchenmikrofonherstellern bezeichnen. Daneben gibt es "Coles" - der schwarze "Schuhanzieher" ist in amerikanischen Studios ein Mikro-Veteran, der trotz langer Historie immernoch für E-Gitarren und Overheads Verwendung findet.
Eine oft unterschätzter Hersteller ist Beyerdynamic - die bekanntesten und beliebtesten Bändchenmikrofone sind das M130 und das M160 - beide kosten auf dem Gebrauchtmarkt zwischen 260 und 450 Euro. Aber Beyerdynamic hat auch weit interessantere Modelle im Programm, die zwar keine Allzweck-Waffen sind, aber dennoch besonders bei E-Gitarren, Overheads, Mono-Drumspuren oder auch Backing-Vocals ihre Stärken ausspielen.

Das übliche Grundrauschen...

...erhält man, wenn Bändchenmikrofone an einfachen Vorverstärker angeschlossen werden. Einfache Vorverstärker (oft in günstigen Audio-Interfaces) erzeugen bei der nötigen Verstärkung ein starkes Eigenrauschen, das sich die Aufnahme mit dem Bändchenmikrofon nur bei wenigen Spuren lohnt. Bei vielen Spuren summiert sich auch das Rauschen. Aber - es gibt neben den speziellen Vorverstärkern (die auch sehr teuer sind) wesentlich günstigere Lösungen.

Eine sehr gute Idee hat der Hersteller Cloud Microphones aus den USA, die mit dem "Cloudlifter CL-Z" - eine Art "Widerstands-Poti" im DI-Box Format - für Aufsehen auf der NAMM 2013 gesorgt haben. Dieses Gerät hat den stolzen Preis von 250 € - bietet aber die Möglichkeit, die Impedanz des Mikrofons zwischen 150 und 15.000 Ohm stufenlos zu wählen. Wer mit einem Impedanzregler einmal gespielt hat, der kennt die Vorteile. Man lernt ganz neue "Klanggesichter" und Seiten von alten Bekannten wie dem Shure SM57 oder dem Sennheiser e906 kennen. Und besonders für Bändchenmikrofone, die oft eine sehr niedrige Impedanz besitzen, ist dieser Kasten eine sehr interessante Erweiterung.

Eine weitere Hilfe bietet Triton mit dem FETHead an - ein Vorverstärker, der direkt in den Kabelweg geschaltet wird und das Signal per +48V-Speisung konstant um +20dB anhebt für schlappe 80 €. Ein ähnliches, aber teureres Produkt bietet der Hersteller Potofone an. Hier bekommt man bei gleichem Prinzip +25dB für 149 $ (umgerechnet 115 €).

Beyerdynamic M260 Beispielaufnahmen

Meine letzten Mehrspur-Aufnahmen an einem ungestimmten Seiler Klavier mit dem Beyerdynamic M260 und einem Alesis IO2 waren überraschend gut. Das Interface hat für das M260 zwar zu schwache Vorverstärker und somit wird das Signal schwach und mit etwas Rauschen aufgezeichnet, aber mit digitaler Verstärkung war das Signal gut verwendbar. Bändchen-Mikrofone wie das M260 bilden den Klang eines Klaviers "rund" ab, so daß hohe Frequenzen dezent gesenkt werden. Gegenüber eines Kondensator Mikrofons erzeugt ein Bändchen Mikrofon Aufnahmen, die den EQ-Einsatz bei Klavieraufnahmen deutlich minimiert.



Die Aufnahmen wurden in einem 30 qm Raum erstellt, der ohne Absorber auskam. Da die Wände einen starken Strukturputz und Unebenheiten der Wandtiefe aufweisen, fungieren alle Wände als schallharter Diffusor. Die Decke ist knapp 4 Meter hoch und besteht aus 3 cm dicken Holzplanken.

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