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Freitag, 23. Oktober 2009

Digitale Klangästhetik wird zur Popkultur

Die aktuelle Arbeitsweise der Produzenten entgleist immer mehr in einen Wahn der perfekten Musik. Wo früher noch MIDI-Spuren hin und hergeschoben wurden, sind es heute live eingespielte Takes, die vom Sänger über die Gitarren bis zum Schlagzeug alle tonal und zeitlich begradigt und aufpoliert werden. Selbst die schägsten und schiefsten Töne werden wieder auf Kurs gebracht. Unglaublich?

Für normale Rezipienten vielleicht, für Studiotechniker und Toningenieure ist es die alltägliche, reale Welt der Musikproduktion. Die technischen Möglichkeiten liegen inzwischen weit hinter den Vorstellungen der Radiohörern und Musikkonsumenten. Die moderne Technik lässt die gezielte Korrektur von Stimmen, ganzen Akkorden und eingespielten Schlagzeugspuren schon seit längerem zu - und das (fast) ohne hörbare Artefakte.



Melodyne: SängerIn ist nur noch Lieferant des Rohstoffes "Stimme"


Nur das geschulte Ohr erkennt bei neu erscheinenden Popalben den zunehmenden Einsatz von Melodyne, Autotune und vergleichbare Programme/PlugIns. Denn sie hinterlassen Artefakte. Das Signal klingt metallisch, statisch und irgendwie "glattgebügelt". Das Tremolo zum Ende vieler längeren Gesangspassagen (wenn der Ton durch der/die SängerIn gehalten wird) weißt eine Regelmäßigkeit in der tonalen Schwankung auf. Auf die Frage warum denn im Produktionsprozess Fehler digital korrigiert werden statt es den Künstlern zu überlassen, folgt als Begründung der Musikindustrie:

"Erfolgsdruck, gestiegenen Ansprüche der Rezipienten an einen tonal sauberen Klang und (wen wundert es noch) den gestiegenen Zeitdruck in der Produktion."

Kein Toningenieur hat mehr Zeit dafür, den Sänger hundert Takes singen zu lassen und danach die besten Passagen auszuwählen, wohlmöglich noch durch den/die SängerIn selbst!
Aussehen ist Gold, Singen ist Plastik!

Heute heißt es: "Einsingen und weg!" Unterstützt wird die Beschleunigung des Produktions- und Verwertungskreislaufes durch Casting-Formate wie "DSDS" oder "Popstars". Hier wird gezielt nach Stereotypen gesucht, die hauptsächlich gut aussehen und passabel singen können. Diese Ansprüche erfordern den Zwang, immer wieder neue Künstler zu casten, neue Titel zu produzieren, diese crossmedial (auf vielen Kanälen) zu hypen und zeitig wieder fallen zu lassen. Für eine langfristige Investition in die Marke "Künstler" wird keine Zeit verschwendet - diese Methodiken haben sich in der Vergangenheit nicht gerechnet, da ein zu hohes Investitionsvolumen aufgebracht werden muss und der "Return on Investment"(Erfolg des eingesetzten Kapitals / Investitionszinssatz) erst nach Jahren erkennbar ist.

Das in ProTools verfügbare PlugIn "BeatDetective" lässt ebenso wie das Programm "Recycle" von Propellerheads ganze Audiospuren bearbeiten und quantisieren. So sind eingespielte Bässe, Gitarren oder Klavierakkorde zeitlich korrigierbar und neu arrangierbar.

ProTools: BeatDetective - Untalentierte Schlagzeuger werden digital zu tightesten Profis
Auch Aufnahmen von betrunkenen Schlagzeugern können nachträglich korrigiert werden. Hat der Drummer die Snare nicht sauber getroffen, können mit PlugIns wie "iDrum" oder "Drumagog" gezielt diese Stellen erkannt und automatisiert durch andere Samples ausgetauscht werden! Was bleibt ist ein gesunkener Anspruch an professionelle Musiker, unendliche Möglichkeiten der Perfektionierung und Optimierung und erhebliche Einsparungen inden Produktionskosten durch kürzere Produktionszeiten (Profimusiker und Studios verdienen pro Stunde, nicht pro Song!).
Der Quantisierungswahn geht bei Polarkreis 18 bis an die Grenzen ertragbaren. Live eingespieltes Schlagzeug tickert so syncron wie ein analoger Sequenzer aus alten Zeiten - Save the last Drummer!
Früher war Playback verpöhnt, heute ist es Live geschönt!

Der Einsatz der PlugIns lässt besonders im Popbusiness nicht nur gecastete Popsternchen wie perfekt ausgebildete Popdiven klingen, auch bereits etablierte Künstler lassen sich durch ihren eigenen Perfektionismus oder den Kontrollwahn des Produzenten beeinflussen. Sogar das Liveerlebnis vor der Bühne wird durch Korrektur und Quantisierung in Echtzeit terrorisiert. Das Mikrofonsignal des Sängers kommt nicht direkt auf die Boxen zum Hörer - es durchläuft einen Computer, der mit einem Haufen PlugIns und den Einstellungen aus dem Studio bestückt ist. So klingt die Live-Performance perfekt wie im Studio - keine Ausrutscher, kein schiefes Gequieke, jeder Ton ist gerade und perfekt. Was bleibt ist eine erhebliche Veränderung der Klangästhetik beim Hörer. Regte sich früher die ganze Republik über Playback-Skandale wie bei Milli Vanilli auf, wird heute das Livesignal einfach in Echtzeit korrigiert. Damit wird dem Künstler aber auch der Raum für Spontanität genommen, ein Konzert gleicht dem anderen, der Sound klingt wie direkt aus dem Studio. Schon Kraftwerk hatte 1978 mit der Performance zum Lied "Die Mensch-Maschine" den Einfluss der Digitalisierung in die Musik geahnt. Sie waren mit ihrer Vision dem üblichen Verständnis von Musik als Produkt weit voraus.
Die Klangästhetik der Popkultur verkommt zur fehlerfreien, perfekten Musik.


Dieser Prozess bleibt bei den Rezipienten nicht ohne Folgen. Die Hörgewohnheiten verändern sich, die Nachfrage nach kurzlebigen, perfekten und quantisierten Songs steigt. Leichte Abweichungen von der gleichstufigen Chromatik werden als äußerst schief und falsch interpretiert - das Gehör wird empfindlicher gegenüber Klängen, die nicht in das Schema der von Bach angeregten wohltemperierten Stimmung passen. Musiker die noch ohne Korrektur und Quantisierung arbeiten, haben auf dem Popmarkt keine Chance mehr.
Die Chance für elektronische revolutionäre Musik.

Die Konsequenz daraus wäre eine Gegenbewegung, deren Potential schon Theodor W. Adorno mit dem Buch "Philosophie der neuen Musik" 1949 erkannte. Was er als allgemeine Ästhetik definierte, sollte durch atonale Musik gebrochen werden. Die deutsche Band "Einstürzende Neubauten" realisierte Musik jenseits von festen tonalen Skalen und Chromatiken. Die Umsetzung atonaler Musik für den Homerecording-Musiker fällt dagegen schwer. Sämtliche Einstellungen des Computers verbieten eine Neudefinition der genutzten Chromatik - die 12-Ton-Musik mit ihren gleichmäßigen Abständen steht als feststehendes Gesetzt über dem musikalischen Freidenker.


Was bleibt ist die Nutzung bestimmter Synthesizer, deren (meist unbekannte) Möglichkeit in der Definition eigener Chromatiken/ Tonalitäten besteht. Ein äußert interessanter Ansatz, einfach mal 24-Ton-Musik zu machen, oder sogar 30-Ton-Musik. (Vgl. KORG Z-1) Die Frequenzverteilungen nach Zufallsprinzip unterstützen die meisten Synthesizer, wobei ein LFO nach dem Zufallsprinzip dem VCO einen Grundton vergibt. Durch eine zusätzliche Steuerung des LFO-Tempos durch die Tasten (Note an/Note aus) sollte der LFO bei Note an still stehen, während bei Note aus der LFO schwingt und so einen neuen Ton wählt. Als letztes können Störgeräusche aufgenommen werden und mit einfachen Samplern abgespielt werden. Dies ist die einfachste Art atonal zu arbeiten und so dem "Gesicht der festgefahrenen Hörgewohnheiten" den (pardon) ausgestreckten Mittelfinger entgegenzuhalten.

Montag, 19. Oktober 2009

SPL gibt einen aus!


Das Sound Performance Lab gestattet den kostenlosen Download vom PlugIn "Attacker" zum Preis von nur einer Email-Adresse. "Warum aber ist SPL so nett zu den (potentiellen) Kunden?" fragt hier der geneigte, kritische Blogleser. Eventuell, weil die Adressen vielleicht später verkauft werden oder eher eine Email-Sammlung für eigene Werbezwecke angelegt werden soll? Nein, der "Analog Code" von SPL wird ein Jahr alt - und bei Gesprächen innerhalb der Szene musste ich feststellen, das viele gar nichts von den SPL-PlugIns wissen oder keine Meinung dazu haben. Und das soll warscheinlich dadurch geändert werden - ich für meinen Teil kann mir jetzt endlich eine "Meinung" von den SPL-Produkten bilden, auch wenn ich nur ungern den vielen unterbelichteten Pseudo-Produkt-Testern im Netz Konkurrenz machen möchte (Kritik? Was ist Kritik? Ist doch ein tolles Produkt, durfte ich sogar behalten...)

SPL Attacker 1.1

Das Prozedere ist mit folgenden "Gängeleien" gespickt:
¤ Emailadresse angeben, es wird eine Email von SPL mit Link versendet
¤ Innerhalb von 7 Tagen dem Link folgen (sonst wird er ungültig)
¤ PlugIn downloaden & installieren
¤ Challenge-Code erzeugen
¤ Mit Email-Adresse in diese Internetseite eintragen
¤ Den Response-Code wiederum im Attacker eintragen

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Bardenfleth Jam 2009 - Live Tracks

Ausschnitte aus dem Live Jam mit globalen Größen wie Chris B., Hösm, Sonneimuniversum, Sohnemann und Michi sind jetzt endlich als Sets zu hören. Für alle die schon lange darauf gewartet haben und für neugierige Leute. Hier also Teil 1:
Muckerei.de Jam August 2009 by diggnity1


Und hier entsprechend Teil 2:
Muckerei.de Jam August 2009 II by diggnity2

Sonntag, 11. Oktober 2009

Hip-Hop Beats richtig programmieren

Die besten Hip-Hop-Tracks bestechen durch ihre Einfachheit. Ein paar Drumsamples am richtigen Platz und es groovt gehörig. Das dahinter stehende Beat-Arragement ist nichts spektakuläres. Der richtige Groove kommt durch Lautstärkeveränderungen der einzelnen Zählzeiten und minimaler Versatz der Noten.
Lasst euch nicht vom Raster des Sequenzers beeinflussen

Schaltet am besten das Raster aus wenn ihr die Noten per Maus setzt. Aber es sollte als Orientierung noch im Hintergrund sichtbar sein. Nun setzt ihr auf die Zählzeiten Bass Drum und Snare abwechselnd. Ein leichter Versatz sollte weniger als 1/64tel betragen, sonst wird's zu heftig und der Groove kämpft gegen andere Elemente. Wenn ihr die Noten etwas vorzieht, kommt der Groove eine treibende Note. Nach hinten versetzt wird er "lay back" also smooth und chilliger. Die HiHat könnt ihr erstmal wieder bei aktivem Raster setzen, danach es wieder deaktivieren und nur die HiHat die auf geraden Zählzeiten liegen so belassen. Wenn Ihr mit 1/16tel HiHats arbeitet, sollte also jede Zweite in der Lautstärke (Velocity) etwas minimiert und die Note um Millisekunden nach vorn oder hinten verschoben werden. Auch Variationen können interessant klingen. Besonders mit Shakern macht diese Arbeit Spass und es klingt gleich viel lebendiger als das Maschinengehacke bei statischen Noten.
Der Hörer muss die Eins noch finden

Als Orientierungspunkt sollte die Eins für einen Beat-Durchgang punktgenau liegen, sonst verliert der Hörer schnell die Orientierung und die Versetzer verselbständigen sich - der Beat eiert durch die Gegend und kämpft gegen eventuell schon platzierte Elemente an. Doch hier gibt es keine feste Regel - solange der Goove stimmig ist und eure Freunde zum Beat nicken habt ihr alles richtig gemacht. Während die BassDrum und die Snare/Claps im Hip-Hop ordentlich Dampf machen können, sind zu viele HiHats eher nervig und klingen anstrengend. Besser sind ein paar wegzunehmen und Shaker dafür einzusetzen. An den HiHat-Sounds selbst kann die Attack-Phase minimal erhöht werden. Die ersten Transienten (Frequenzen des Anschlaggeräusches) machen den Anfang des Samples definierbar, durch eine höhere Attack-Zeit klingen die HiHats weicher da die ersten Transienten weggelassen werden. Ein kleiner Tipp um Zeit zu sparen ist die Steuerung der Attack-Zeit mit der Velocity eurer MIDI-Noten.
Die Masse macht's

Für die BassDrum sollten ruhig 2-3 Samples genommen werden, die klanglich und tonal sauber zueinander passen. Achtet besonders auf die Phasenlage, sonst rauben sich die BassDrums gegenseitig Energie. Ob BD der TR-808, Live-Kick oder gepitchte Dance-Toms, die Möglichkeiten für geeignete Samples sind hier unendlich. Irgendwo habe ich gelesen, das jemand mit einem Mikro und einem Müsli-Karton "die Hammer-BassDrum" erzeugt hatte, so geht's eben auch!

Bei der Snare sollte eine viel Obertonspektrum (Snare-Teppich) haben - Elektronik-Freaks basteln oft aus weissem Rauschen den Teppich-Sound der Snare. Für den Bauch könnt ihr etwas "mumfigere" Snares oder gepitchte Tom-Sounds verwenden. Ein ganz kurzes, hochgepitchtes Snare-Sample kann hier als Anschlag-Ersatz fungieren. Wichtig ist das am Ende die Lautstärken zueinander passen. Klingt es wie eine oder mehrere Snares? Schiebt den Bauch-Sound ruhig etwas nach hinten (leiser), aber die Snare sollte schon ordentlich knallen und ist eines der zentralen Elemente bei HipHop-Tracks.


Die Claps (Klatscher) können ebenfalls gedoppelt werden. Wichtig ist hier, im Sequenzer die Noten um die Zählzeit herumzubasteln, sonst klingt der dicke Klatscher nur noch laut und tot. Bei den Claps können die Attack-Zeiten ebenfalls minimal variiert werde - die Release-Zeiten sollten dagegen möglichst lang sein, um den Klatscher ausklingen zu lassen. Eigene Aufnahmen können den Beat bereichern.

Kleiner Recording-Tipp: Ein Kugelmikrofon im Badezimmer mit mehreren klatschenden Leuten macht eine gute Athmosphäre, die stark komprimiert leise unter den Beat gemischt wird.

Zu guter letzt setze ich viel auf Shaker. Die sind schnell selbst gebaut (gelbe Ü-Ei-Packung mit trockenen Reiskörnern, Foto-Dosen mit trockenen Linsen etc.) und bringen jeden Hintern zum wackeln. Hier sollten zu viele Shaker nicht übereinander liegen. Jeder Shaker sollte eine eigene Rythmus-Linie haben, aber auch nur auf die Zählzeiten (1,2,3,4) reicht aus, um den Groove zu "fresh'n". Falls ihr keine Schüttelkönige seid und nur wenig Auswahl, können verschieden gepitchte Shaker schon viel ausmachen - zu extreme Einstellungen klingen aber oft künstlich und billig!


Viel Spass beim rumprobieren!

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Stromkult - News aus der ModularSynth Szene


Der Berliner Vertrieb "SchneidersBüro" für modulare Synthesizer und sonstige elektronische Studio-Raritäten hat nun mit Stromkult.com eine Infoseite mit News rund um das Thema Modulare Synthesizer erstellt, der natürlich mit RSS-Feed ausgestattet ist.