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Freitag, 6. März 2015

Was wir Musiker wirklich brauchen

Es gibt immer wieder Hürden und Hindernisse, die den kreativen Workflow im eigenen Studio unterbrechen. Hürden und Hindernisse, die in jeder DAW stecken oder dann auftreten, wenn ein externer Klangerzeuger oder ein Hardware-Controller mit der DAW verbunden wird.
Woran es liegt? Vielleicht daran, das sich die Producer-Gemeinschaft schon an die Unzulänglichkeiten gewöhnt hat. Und das wir für diese Hürden und Hindernisse unsere eigenen Workarounds gefunden haben.


Dennoch frage ich mich an manchen Tagen, warum es immer noch keine Lösung für einige dieser Probleme gibt. Wenn man die Zeitfresser erkennt und genauer betrachtet, ist eine Lösung gar nicht mehr so schwierig. Ich nenne hier mal ein paar meiner größten Zeitfresser, die immer wieder meinen kreativen Flow unterbrechen, und ich Zeit mit unnötigen Tätigkeiten verschwenden muss.


Zuweisung von Plugin-Parametern für Hardware Controller

Ich weiß nicht, wie oft der normale Producer unter uns seine Hardware Controller wechselt. Ich bisher eher selten - mit meiner NI Maschine und einem USB-Keyboard habe ich alle Controller zur Hand, die ich benötige um schnell und effektiv zu arbeiten. Aber auch wenn man regelmäßig seine Controller austauschen würde - ist es wirklich notwendig, das ich jedes Mal in einem neuen Projekt oder für neu hinzugefügte VST-Instrumente (und Effekte) per MIDI-Learn die Parameter mit meinem Hardware Controller verknüpfen muss? Eigentlich nutze ich nur eine Handvoll von VST-Instrumenten und Effekten, daher sollte es doch möglich sein, das meine Einstellungen als Presets in der DAW gespeichert werden - und wenn ich das VST-Instrument neu lade, kann die DAW doch mein Regler-Zuweisungs-Set einfach als "Standard" wieder abrufen.


Was ich mir für die Zukunft wünsche, ist eine separate Preset-Liste für meine Hardware-Controller-Einstellungen, die pro VST-Instrument (oder Effekt) gespeichert werden können. Diese Liste befindet sich neben der Sound-Preset-Liste. Ein Preset kann als Standard eingerichtet werden und wird mit dem bestehenden oder einem neuen Projekt geladen.




OSC-Protokoll neben MIDI

Die Verbindung zwischen externen Synthesizern und der DAW wird meistens über MIDI erstellt. MIDI - ein Standard der seit 1982 besteht und seit dem nicht wirklich großartig geändert wurde.


Doch es gibt einige Kritikpunkte an dem über 30 Jahre alten Standard:

  • Die Auflösung: Es gibt nur 128 Stufen pro Controller - somit kann ein Parameter, der in der DAW aufgenommen wird, nur maximal 128 unterschiedliche Zustände besitzen. Bei manchen Parametern ist dies durchaus ausreichend, aber für die Steuerung von Filterfrequenzen oder LFO-Frequenzen ist diese Einteilung zu grob.

    Ein Vergleich zwischen der Parameter-Steuerungen direkt am Synthesizer und der Parameter-Steuerungen per DAW zeigt, das Pegelsprünge bei MID definitiv bemerkbar sind. Bei solch einem Vergleich ist allerdings darauf zu achten, das das Synthesizer nicht auch intern mit nur 127 Schritten arbeiten. Am Besten ist es, wenn der Vergleich mit einem midifizierten Analog-Synthesizer stattfindet.

  • Die Latenz: Das Auslösen eines Tons benötigt 3 Byte. Die Übertragung dauert im Idealfall 0,960 Milisekunden. Kein Problem, solange nur eine Taste gedrückt wird. Wenn aber eine Groovebox mit mehreren Instrumenten vor sich her rappelt, und man noch zusätzliche Parameter automatisiert hat, dann tritt der Effekt deutlich hervor - ärgerlich für LIVE-Auftritte. Auch die MIDI-Clock oder MTC-Sync-Informationen sind von der Latenz betroffen, wenn diese über die gleiche Leitung laufen - und das ist Standard, denn die wenigsten Geräte besitzen mehrere MIDI-Eingänge.

  • Stimmungen und Skalen: Stimmungen und Skalen, die von der temperierten Stimmung abweichen, können nicht realisiert bzw. von der DAW erkannt werden. Es muss eine manuelle Anpassung beider miteinander verknüpften Geräte passieren. Das ist besonders bei der Arbeit mit orientalischen Klängen oder bei experimentelleren Skalen nervig und zeitraubend.

MIDI ist DER Standard geworden, fast jedes Instrument oder Interface hat inzwischen ein MIDI-Duo an Board. Aktuell wird USB für den Direktanschluss an einen Rechner immer beliebter. Das ist eine gute Alternative - allerdings nicht die Beste, denn damit kann das Gerät nur an einen Rechner angeschlossen werden. Das Verbinden zweier USB-Geräte ist nicht möglich!


Die MIDI-Alternative

Die Alternative zu MIDI gibt es schon länger, und ich bin davon überzeugt das die Integration der neuen Schnittstelle Gerätehersteller nicht vor unlösbare Probleme stellt. Das Open Sound Protokoll, kurz OSC genannt bietet für den multimedialen Bereich viele Vorteile die sich nicht nur auf die Übertragung von digitalen Steuersignalen beschränken.

Damit bei Nutzung von OSC die MIDI-Nutzung nicht komplett wegfällt, wäre eine Umstellung zwischen dem MIDI- und dem OSC-Protokoll direkt im jeweiligen Gerät eine durchweg realistische Möglichkeit, um die MIDI-Anschlüsse für beide Protokolle zu verwenden. Ein separater RJ-45 Anschluss (üblicher Netzwerk-Anschluss) ist daher nicht notwendig, wäre aber von Vorteil.

Es gibt wie überall auch hier Licht und Schatten.
Die Vorteile von OSC:

  • Eine höhere Geschwindigkeit bei der Datenübertragung - und somit keine Latenzprobleme, Sound-Dropouts oder stolpernde Soundausgabe

  • Keine Parametersprünge mehr - Gleitkommazahlen ermöglichen saubere, glatte Frequenzänderungen

  • OSC kann über ein Netzwerk übertragen werden - somit auch über das Internet, LAN, WLAN etc. Damit kann in Zukunft ein Endgerät das in Holland steht, durch ein Nutzer in Australien gesteuert werden. Damit wird der Traum eines weltweiten Internet-Jams Realität.

  • Kein separates MIDI-Interface - das Gerät kann einfach in das Netzwerk eingeklingt oder kabellos über WLAN integriert werden.

Höhere Geschwindigkeit, keine Parametersprünge, Datenübertragung per WLAN, eine Netzwerkkarte als Interface. Her damit! Das klingt ja traumhaft! Doch wo ist der Haken?

Die Nachteile von OSC - und mögliche Lösungsansätze:


  • Bezeichnungen der Nachrichten sind nicht standardisiert
    Das ist ein Hindernis, aber kein großartiges Problem.
    Ein Lösungsweg ist die Übernahme der bereits bekannten Bezeichnungen des MIDI-Protokolls in einen vorläufigen OSC2MIDI-Standard mit der Verbesserung der bekannten Auflösungsproblematik.

    Ein anderer Weg könnte ein Protokoll-Dolmetscher-Programm (Daten-Übersetzer) sein, in dem die OSC-Daten zweier Geräte analysiert und per Drag & Drop über virtuelle Kabel verbunden werden. Das bietet zudem eine wunderbare Spielwiese für Klangtüftler, denn so ist die Nutzung einer Modulationsmatrix über mehrere Geräte hinaus möglich. Für diese Idee ist noch nicht einmal OSC in allen Geräten zwingend notwendig.
    So kann OSC sehr einfach in MIDI-Daten umgewandelt werden - auch wenn die MIDI-Geräte ohne OSC weiterhin mit den MIDI-Unzulänglichkeiten zu kämpfen haben.
    Wichtiger ist der sofortige Start der OSC-Integration in neue Geräte und die Möglichkeit, neue OSC-Protokolle in die Geräte zu laden - von mir aus auch per MIDI System Exklusive Nachrichten :-)


  • Integration einer Netzwerkschnittstelle für Hardware-Hersteller zu teurer und umständlich
    Ja und? Wird denn für die Übertragung von OSC-Informationen zwingend UDP benötigt? NEIN! OSC ist unabhängig vom Transportprotokoll. Es kann also auch über eine serielle Schnittstelle (und damit auch über die MIDI-Buchsen) übertragen werden. Es muss nur im Gerät ein Chip integriert werden, der auf Basis des installierten OSC-Protokolls die Daten übersetzt und in Paketen überträgt, ebenso wie der Empfänger die Pakete lesen können muss. Wir reden hier somit nicht von der Integration eines ganzen Servers in einen Synthesizer, sondern von einem kleinen DSP-Chip.

    Wenn mehr Übertragungsbandbreite benötigt wird, können auch alle 5 Signalwege von MIDI genutzt werden - das sind aktuell bei MIDI bisher nur immer 3 Signalwege!

OSC in die DAW

Auch wenn der OSC-Standard nur von wenigen Leuten genutzt wird - eine Integration bzw. Unterstützung des Protokolls auf DAW-Ebene wäre ein erster Schritt, um den Geräteherstellern zu signalisieren, das OSC nicht länger ein experimentelles Protokoll aus der Berkley-Uni ist. Es wird bisher sehr stiefmütterlich behandelt und nur von einigen Multimedia-Nerds und "Audiovisualisten" (Künstler die Audio und Video in Kunstwerken verbinden) genutzt. Dort aber mit viel Erfolg und viel Freude!


Die Lösungen der Probleme liegen ist wie so oft direkt auf der Hand. Und um die beiden angesprochenen Themen - virtuelle Instrumente und OSC Protokoll - gedanklich zu verknüpfen, hier noch eine Anregung: Warum wird nicht OSC intern zur Kommunikation von virtuellen Instrumenten als Standard verwendet? Statt dessen muss ein Hersteller für virtuelle Instrumente alle Schnittstellen separat implementieren - VST, AudioUnit, DirectX, RTAS, AAX, LV2 und so weiter. Wäre nicht auch hier ein einheitlicher Standard endlich fällig?


Liebe Hersteller von Sequenzer-Programme, Synthesizern und Hardware-Controllern, macht bitte eure Hausaufgaben und setzt euch zusammen, damit wir Musiker und Producer uns wieder auf das konzentrieren können, was wir alle so lieben: das Musizieren!

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