"Wir haben da auch schon mal was aufgenomen"
Es hat sich mal wieder ein freies Elektronik-Projekt aus verschiedenen Musikern zur Recordingsession angemeldet. "Wir haben da auch schon mal was aufgenommen" heißt es dann oft und man erfragt, welches Programm zur Aufnahme verwendet wurde. Das mulmige Gefühl im Bauch sagt einem, das jetzt irgend ein Freeware-Sequenzer zitiert wird und man denkt sich: 40 Audiospuren manuell importieren mit unterschiedlichen Startpunkten, keine weiteren Angaben, keine Marker, kein Tempo, alles irgendwie auf Zuruf.Wenn man ganz viel Glück hat, dann weicht das mulmige Gefühl der Freude, da die Truppe tatsächlich ein professionelles Tool nutzt. "Yeah!" - denk man sich zufrieden. USB-Festplatte ran, Projekt öffnen und los gehts.
Es ist Samstag und die Jungs sind da. USB-Festplatte ran, Projekt öffnen und....
PlugIn X fehlt! PlugIn Y fehlt! PlugIn Z fehlt!
Danke an euch alle, Ihr fleißigen Free-VST-Entwickler, ehrlich! Aber jetzt ist der Samstag gelaufen, weil alle PlugIns heruntergeladen und installiert werden müssen. Verträgt sich das mit den restlichen PlugIns? Läuft dann mein System noch stabil? Ja, Nein, Vielleicht?ICH:"Könnt ihr die Effekte nicht zu Hause als Spuren exportieren?"
PROJEKT-GRUPPE:"Nee, dann kann ja nix mehr geschraubt werden, weißt du? Das ist echt wichtig, wegen Echtzeit, Kreativität, spontan und so."
Und nun?
Spätestens hier gibt es drei Wege:
- Man versucht mit den eigenen PlugIns deren Effekte zu simulieren
- Man überzeugt die spontanen Echtzeit-Kreativen von dem magischen Mischer-Mantra "irgendwann muss man sich mal entscheiden" und lässt die Jungs doch alles zu Hause exportieren.
- Alle Projektmitglieder nutzen ein (am besten DEIN) Programm, das bereits (nur) integrierte Effekte hat.
Definitiv ist die zweite Alternative die schnellste - leider gärt dann der Unmut innerhalb der Kreativ-Truppe und man wird als langweiliger, beamtenhafter Büromuffel abgestempelt.
Fluch und Segen von VST, RTAS, AU & CO
Was einst als offener Standard für alle Entwickler began, und immernoch eine super Sache ist, kann inzwischen zu einem mächtigen Problem werden!Fakt ist, das die Vielzahl der Software-Effekte stimulieren kann - rein mental gesehen!
Fakt ist aber auch, das die Vielzahl der Software-Effekte das System irgendwann ausbremst oder sogar zum Absturz führen kann, wenn ein programmiertechnischer Freigeist sich an irgendwelchen wilden Algorithmen probiert hat - ebenfalls rein mental gesehen!
Und der dritte Fakt ist, dass letztendlich jeder Effekt simuliert werden kann.
Das wär es doch - alles mit einem Effekt!
Wie das geht?Die bis jetzt nur im Bereich der Reverb-Effekte und Amp-Simulationen genutzte Technik der Impulsantwort könnte für solche Fälle genutzt werden. Aber hier gibt es natürlich einen kräftigen Dämpfer, denn meine spontanen Echtzeit-Kreativen haben an allen ihrer 283 VST-Plugins mindestens einmal geschraubt und die Reglerautomation aufgezeichnet. Und jetzt steht man wieder komplett am Anfang der Überlegung.
Um auf die Überschrift zurückzukommen, müsste es eine Kombination aus "PlugIn runterladen" und "Impulsantwort" geben, und das ganze auch noch dynamisch im Zeitverlauf.
Die Lösung wären dynamische Impulsantworten, die sich auf Basis der Einstellungen rendern lassen. Da die Impulsantwort selbst ein Sample ist, wird in einem Faltungshall-PlugIn ja nicht die Impulsantwort selbst auf den Input gelegt, sondern es findet eine Analyse statt. Der hier entstehende Fingerabdruck / Blue Print ist eine kurze Momentaufnahme. Bei langen Songs müsste man aber entweder durchgängig Impulsantworten (Weisses Rauschen) durchschicken, und das Ergebnis als Impulsantwort in das Programm laden. Das ist aber Quatsch, denn dann kann die Spur auch gleich mit Effekt gerendert werden!
Ich bin kein Algorithmen-Programmierer, gehe aber davon aus, das während der Analyse der Fingerabdruck / Blue Print irgendwo als Algorithmus zwischengespeichert wird. Ändert sich nun der Fingerabdruck / Blue Print, dann ändert sich entsprechend der Algorithmus - und das bitteschön ich Echtzeit! Und der Fingerabdruck / Blue Print sollte als Datei wesentlich platzsparender sein, als das Analyse-Sample, denn schließlich müssen nach dem anfänglichen Grundmuster nur noch die Änderungen in den Algorithmus einfließen. Das wär es dann auch schon mit meiner Wunschliste für dieses Weihnachtsfest!